Tierstimmen Im Grenier à Sel: Wenn Die Kunst Das Lebendige In Avignon Zum Sprechen Bringt
In einer Zeit, in der alle zwanzig Minuten eine Art verschwindet, startet das Grenier à Sel einen eindringlichen Aufruf: Lasst uns den tierischen Stimmen lauschen! Von poetischer Robotik bis zu unsichtbaren Klängen verspricht diese kostenlose Ausstellung (4. Oktober - 31. Dezember 2025) eine aufwühlende Begegnung mit unseren gefiederten, behaarten... und mit Leiterplatten versehenen Nachbarn.
Ein dritter Zwischenstopp für die Trilogie „Symptome des Lebendigen“.
Nachdem man 2023 den Pflanzen gelauscht und 2024 unsere komplizierten Beziehungen zur Maschine untersucht hat, schließt das Grenier à Sel seine Trilogie mit dem Tierreich ab. Eine Selbstverständlichkeit? Nicht ganz so einfach. Zwischen dem Zusammenbruch der Biodiversität (der WWF schätzt einen durchschnittlichen Rückgang der Wirbeltierpopulationen um 69 % seit 1970) und der Überflutung mit angstschürenden Diskursen war ein Umweg über die Kunst notwendig, um den Dialog wieder zu eröffnen. Tierische Stimmen beansprucht daher einen sensiblen, weniger utilitaristischen Ansatz, bei dem man für einen Moment die Statistiken vergisst, um zu hören, zu fühlen und zu empfinden.
Salzlager: ein Denkmal voller Salz... und Innovationen
Nur einen Steinwurf von den Stadtmauern Avignons entfernt, verbindet dieses ehemalige Lagerhaus aus dem 17. Jahrhundert, das von Jean-Michel Wilmotte saniert wurde, steinerne Gewölbe mit LED-Bildschirmen. Das Ergebnis? Ein Rahmen, in dem Kulturerbe auf modernste Technologien trifft. Der Fonds de dotation EDIS, der hinter diesem Ort steht, verfolgt eine klare Mission: Kunst, Wissenschaft und gesellschaftliche Herausforderungen zu vereinen. Freier Eintritt, clevere Öffnungszeiten (Mittwoch-Samstag, 14-18 Uhr): Alles ist darauf ausgelegt, dass die Öffentlichkeit, vom neugierigen Gymnasiasten bis zum musikliebenden Senior, ohne Hemmungen eintreten kann.
Zehn Künstler, tausend Frequenzen: kleines kreatives Bestiarium
Auf dem Parcours begegnet man:
- Nicolas Darrot und seine Roboter-Schmetterlinge (Apollo), die mit ihren Flügeln schlagen wie echte Schuppen.
- France Cadet, die Spielzeughunde umfunktioniert, um auf High-Tech-Taxidermie aufmerksam zu machen.
- Filipe Vilas-Boas, der die Fabeln von La Fontaine im Zeitalter von ChatGPT neu schreibt.
- Lab212, die Ihre Schritte in Ultraschallwellen von Fledermäusen verwandeln.
- Die hypnotischen Archive von Jean Painlevé, einem Pionier des Unterwasser-Tierfilms.
Wenn die Technologie zu Federkleid und Schnurrhaar wird.
Achtung, hier keine Gadget-Demonstration. Sensoren, Algorithmen und 3D-Drucker werden zu Verlängerungen des Lebendigen: Generative KI, um den Gesang eines Vogels in Licht zu übersetzen, weiche Robotik, die das langsame Kriechen einer Schlange nachahmt, Sonifikation von Klimadaten, um den akustischen Stress eines Korallenriffs wiederzugeben. Laut einer Studie der Stanford University behalten 72 % der Besucher eine Umweltbotschaft besser, wenn sie durch ein interaktives multisensorisches Erlebnis vermittelt wird. Wette gewonnen.
Ein Spaziergang mit allen Sinnen.
Die Ausstellung kann gelesen, gehört und manchmal sogar gerochen werden (ja, ja!). Man bewegt sich wie am Waldrand: Eine digitale Silhouette entzieht sich, ein tiefer Groll ertönt, ein harziger Duft schwebt. Der Rundgang bietet Pausen, in denen man sich hinsetzen kann, mit Kopfhörern auf den Ohren, um die Ultraschalllaute einer Fledermauskolonie zu hören, die von Knud Viktor aufgenommen wurden. Emotion garantiert, das sagt ein zum Gläubigen gewordener Skeptiker.
Eine ökologische Botschaft… ohne schwerfälligen Moralismus
Anstatt schockierende Zahlen aufzuzählen (auch wenn, unter uns, eine Million bedrohte Arten laut IPBES erschreckend ist), setzt Voix animales auf die Karte der emotionalen Verbindung. Der Besucher geht oft mit einem kleinen Zweifel nach Hause: Was, wenn die verbale Sprache nur die Spitze des Eisbergs ist? Die Kuratoren hoffen, einen Pangolin-Effekt auszulösen: Neugier wecken und dann den Wunsch, lokal zu handeln (ohne Pestizide gärtnern, eine LPO unterstützen…).
Warum mit der Familie kommen? Weil es genauso unterhaltsam wie ein Escape Room ist.
Kinder unter 12 Jahren entdecken zuerst die Roboterhunde, die mit dem Schwanz wedeln. Die Teenager zücken TikTok, um die leuchtenden Halos zu filmen, die auf ihre Stimme reagieren. Die Eltern hingegen genießen die relative Stille einer Installation von Alles bleibt zu tun, in der der Flügelschlag eines Schmetterlings zum Stroboskop wird. Kurz gesagt, man muss kein Experte für zeitgenössische Kunst sein, um es zu schätzen. Kostenlos + interaktiv = erfolgreicher Ausflug für ein Herbstwochenende.
Praktische Informationen & Spartipps zu sammeln
- Daten: 4. Oktober bis 31. Dezember 2025.
- Preis: 0 €, ja, es ist ein Geschenk.
- Adresse: 2 Rue du Rempart Saint-Lazare, Avignon (Parkplatz des Halles in 5 Min.).
- Kostenlose Führung jeden Samstag um 15 Uhr, mit Reservierung.
- Barrierefreiheit: Aufzug, Texte in Braille, Induktionsschleifen.
Nota Bene: Klangkunst, was ist das?
Der Begriff umfasst Werke, bei denen der Klang das Hauptmaterial ist. Hier finden Sie keine Spotify-Playlist, sondern akustische Landschaften, die in der Natur aufgenommen und dann remixt oder räumlich gestaltet wurden. Schließen Sie die Augen: Das Museum verwandelt sich in einen Mangrovenwald, einen Bienenstock oder einen futuristischen Hühnerhof. Eine neue Art, Ökologie zu erkunden, ohne auf die überall präsenten überladenen Bilder zurückzugreifen.
Letztes Wort, bevor ich gehe.
Unseren Blick auf das Tier zu ändern, bedeutet vielleicht, leiser zu sprechen. Nach Voix animales stehen die Chancen gut, dass Sie beim nächsten Mal anders hinhören, wenn eine Amsel unter Ihrem Fenster pfeift... Und wenn Avignon nicht auf Ihrem Weg liegt, behalten Sie die Information: Die Ausstellungstour könnte auch anderswo stattfinden – wie eine Fledermaus, die sich am Echo orientiert.